Der erste Schnitt

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Kräftiges Gras: Henrik Butenschön (Foto) hat mit dem ersten Grünschnitt eine gute Ernte eingefahren. Das bedeutet wertvolles Viehfutter.
Die Landwirtschaft erzeugt Lebensmittel – Fleisch, Gemüse und Obst. Wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig hat sie sich in den vergangenen hundert Jahren gewandelt. Trotz des Einsatzes von Computer und High-Tech ist eines geblieben: die Abhängigkeit vom Wetter. Was den Alltag eines Landwirtes bestimmt und wie sein Jahresablauf aussieht, zeigen wir zwölf Monate lang am Beispiel des Milchviehbetriebes Butenschön. Im Mai steht der erste Grünschnitt an – ein wichtiges Ereignis.

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Die Wetterlage war und ist unbeständig. Von Nord ein Tief, von Süd ein Tief – da fällt es schwer, den richtigen Zeitpunkt für den ersten Grünschnitt festzulegen. „Ich kann mir Rat holen“, sagt Henrik Butenschön und blickt auf den Wetterbericht. „Aber die Verantwortung trage ich ganz allein.“ Schließlich muss das Gras trocken sein, bevor es eingefahren wird. Vor allem beim ersten Schnitt sei die Anspannung groß, gesteht der Landwirt aus Bargstedt. Denn: „Der erste Schnitt ist der wichtigste.“ Es ist junges, frisches Gras. „Es enthält viel Zucker“, ergänzt Sohn Tjark . Als Silage wird das Gras später an die Rinder des Betriebes verfüttert.

Wenn Butenschön sich entschieden hat, ist dies der Startschuss für die gesamte Familie und alle Mitarbeiter – jede Hand wird benötigt. Bevor die großen Maschinen anrücken, werden die Rehe und Kaninchen gewarnt. „Meine Mutter geht mit dem Hund durchs Feld“, erklärt der Landwirt. Außerdem wird am Vorabend einmal rund um die betroffene Fläche gemäht. Dieses „Warnsignal“ hat noch einen zweiten Zweck. Gefahrenquellen wie Pfähle und Bäume sind dann schon freigemäht. „Das erledigt meist mein Vater “, so Henrik Butenschön.

Die Auszubildenden, Sohn Tjark und der Landwirt sitzen die darauffolgenden Tage am Steuer. „Ich liebe den Duft von frisch geschnittenem Gras“, schwärmt Tjark Butenschön. Und er liebt es, Trecker zu fahren. Wenn der 15-Jährige auf dem „6820“ sitzt, einer 140-PS-Zugmaschine, beobachtet er aufmerksam das Gelände. „Ich schau nach vorne auf das Mähwerk und ob ich kleine Kuhlen sehe.“ Die sind der Hinweis auf Rehe. Zwei Ricken mit ihrem Nachwuchs konnten sie umsiedeln, bevor das gewaltige Mähwerk das Weidelgras abschnitt.

Das Lenken sei nicht schwer, grinst Tjark. „Die Trecker haben alle Servolenkung, das geht mit dem kleinen Finger.“ Aber es dauert. Hinter den Mähern folgen die Kehrer. Wenn das Gras dann in geraden Reihen auf der Wiese liegt, kommen die Schwader. Das von ihnen angehäufelte Mähgut kann dann von den Häckslern besser aufgenommen werden, erläutert Butenschön den Vorgang. Vorausgesetzt, das Gras ist trocken. Petrus meinte es nicht gut mit dem Bauern. Abends setzte Regen ein. „Dadurch verzögert sich alles.“ Wasser in der Pflanze sei gut, aber nass solle sie nicht sein. Also musste das Schnittgut noch einen Tag lang trocknen. Dann rückte der Lohnunternehmer an. „Ein Häcksler ist so teuer wie ein Einfamilienhaus “, erklärt der Landwirt. Viele Betriebe würden auch die anderen Arbeiten wie Mähen und Abfahren vergeben, weiß Butenschön. Entweder, weil sie nicht über die Maschinen oder die Manpower verfügen.

In Bargstedt ist wieder die ganze Familie im Einsatz. Ein Cousin – „eine Naturbegabung auf dem Trecker“ – kommt extra vorbei, auch Henrik Butenschöns Brüder. Und die Auszubildenden freuen sich, wenn sie den Häckselwagen steuern dürfen. Zwölf Stunden lang sind dann alle beschäftigt. Auf drei bis vier Zentimeter Länge verkürzt der Häcksler das Schnittgut. „So ist die Qualität höher und leichter zu mischen“, erläutert Butenschön. Auf seinem Hof wird das Gras anschließend nicht in Rundballen gepresst, sondern die Abfahrer transportieren es zum Silo – einer ebenerdigen, abgesicherten Lagerfläche. Dann wird das Material „eingewalzt“, erklärt Tjark. Mit einem 15-Tonnen-Schlepper fährt er über die Grasmasse und verdichtet sie auf diese Weise. Das ist wichtig, „sonst fängt es an zu schimmeln“, sagt sein Vater. Abgedeckt mit Folie und Reifen zum Beschweren hat der Grasschnitt vier Wochen lang Zeit, sich in Silage zu verwandeln. „Durchselieren“, nennen die Fachleute das. Voraussichtlich im Juli ist das Viehfutter dann fertig und wird den Rindern zusätzlich zum frischen Weidegras serviert.

Später folgen noch ein zweiter, dritter und vielleicht vierter Grünschnitt. Aber vor dem ersten ist die Anspannung am größten – denn „es ist unsere wichtigste Ernte“.

Sabine Sopha

tjarkkehrer