Im März tankt der Boden „Kraftstoff“
Richtige Düngung stark vom Wetter abhängig / Seniorchef Hinrich Butenschön baut auf seine Erfahrung aus 40 Jahren als Landwirt

Die Landwirtschaft erzeugt Lebensmittel – Fleisch, Gemüse und Obst. Wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig hat sie sich in den vergangenen hundert Jahren gewandelt. Trotz des Einsatzes von Computer und High-Tech ist eines geblieben: die Abhängigkeit vom Wetter. Was den Alltag eines Landwirtes bestimmt und wie sein Jahresablauf aussieht, zeigen wir am Beispiel des Milchviehbetriebes Butenschön. Oft wird bereits Anfang März gedüngt. Doch dazu war der Boden in diesem Jahr zu nass. Also blieb Hinrich Butenschön mehr Zeit, um den Düngeplan aufzustellen.

Viel Papier, einen Bleistift, Radiergummi und Zeit – das braucht Hinrich Butenschön, wenn er den Düngeplan erstellt. In diesem Jahr musste er sich nicht hetzen. Wochenlang war der Boden viel zu feucht. „Der Fischteich ist bis zum oberen Rand gefüllt“, sagt der Senior des Betriebes. Auch ringsum auf den Feldern und auf dem Grünland hatten sich kleine Seen gebildet. Keine Chance, mit den schweren Fahrzeugen die Bodenbearbeitung zu beginnen. Wenn sich doch einer hinaus wagt, kann es sein, dass sich die Auszubildenden der unterschiedlichen Betriebe dann gegenseitig Bilder von im Schlamm versunkenen Wagen zusenden. Also heißt es warten. „Bodenbearbeitung geht nicht nach dem Kalender“, sagt der Landwirt. „Wir müssen uns den Bedingungen anpassen.“
Er blickt wieder auf die Papiere. Schlag folgt auf Schlag. Fein säuberlich und gut lesbar hat Hinrich Butenschön jene Flächen aufgelistet, die der Hof bewirtschaftet. Jede von ihnen hat einen Namen, dahinter folgen Zahlen. Viele Zahlen. Neben der Liste liegen Tabellen mit Angaben über Kalk, Phosphor, Kali und Magnesium, zudem Prüfberichte über Bodenbeschaffenheit, Empfehlungen der Landwirtschaftskammer. Was die drei Auszubildenden noch für die Prüfung büffeln müssen, beherrscht der Senior aus dem Effeff. „Ich mache schon seit vierzig Jahren die Düngepläne.“ Zwar ist inzwischen Sohn Henrik Chef auf dem Hof, aber diese Aufgabe hat der 68-Jährige beibehalten. „Es gehört viel Erfahrung dazu“, sagt er. Und setzt darum auch statt auf den Computer auf sein bewährtes System.
Die verschiedenen Düngemittel müssen gezielt eingesetzt werden: Der Bedarf richtet sich nach der Bodenart sowie danach, was angebaut werden soll. „Früher war hier Heide und Moor, das Land wollte kein Mensch haben“, weiß Hinrich Butenschön. Und fügt hinzu: „Ein Drittel Schleswig-Holsteins hat einen derart schwachen Geestboden.“ Da muss also Aufbauarbeit geleistet werden. Aber eine Besserung tritt nicht sofort ein: „Regenwürmer wachsen nicht an einem Tag“, macht Butenschön deutlich. „Wenn der pH-Wert zu niedrig ist, dauert es bis zu zehn Jahre, bis sich die Bodenbeschaffenheit verbessert hat.“
Mais zum Beispiel ziehe viele Stoffe aus dem Boden und baue Humus ab. Viele Böden seien durch den Maisanbau ausgezehrt. Ackergras hingegen baue Humus auf. „Im Grünland herrscht genauso viel Wachstum über wie unter der Erde.“ 50 Prozent der Hof-Fläche sind Grünland. „Das ist ungewöhnlich viel“, erklärt der Senior. Ebenso ungewöhnlich sei es, dass 80 Prozent der Butenschönschen Rinder im Sommer auf die Weide kommen. Doch bevor es soweit ist, wird die Grasfläche sorgsam behandelt. Auf allen Grünlandflächen wird Deutsches Weidegras „eingestriegelt“. Nach fünf bis acht Jahren habe sich außerdem viel Unkraut gebildet, dann gelte es, diese Grasnarbe zu erneuern. Die Zusammensetzung der Weide wird sich der Landwirt draußen vor Ort zuvor noch einmal mit den Lehrlingen ansehen. „Die Jungs sollen ja auch die unterschiedlichen Gräser kennen.“ Eine gepflegte Grasnarbe mit guten Gräsern ist das Ziel. Sie bedeutet nahrhaftes Futter für die Rinder. Besonders wichtig: „Der erste Grasaufwuchs im Frühjahr ist der beste, etwas ganz besonderes“, betont Hinrich Butenschön. Zum zweiten Mal wird das Gras im Juni geschnitten. Danach kommen die meisten Rinder auf die Weide. Das sei ein „Gesundungsfaktor“ – frische Luft und frisches Gras tun den Tieren gut. Und für den Landwirt bedeutet es nicht mehr Arbeit: „Ob vom Stall oder von der Weide – zum Melkstand laufen die Kühe ganz allein.“
Aber noch ist es nicht soweit. Noch errechnet Butenschön die Düngermengen. „Grundlage für die Bearbeitung des Bodens ist die Nährstoffbilanz“, erklärt er. Alle drei Jahre wird der Boden untersucht. Der Landwirt zieht die Proben selbst und schickt sie dann ein. Für die jeweiligen Werte gibt es Empfehlungen der Landwirtschaftskammer, keine knallharte Zahl, sondern immer eine Spanne mit ein wenig Ermessensspielraum. Dieser wirkt sich auch finanziell aus. 200 Euro pro Hektar kostet die Butenschöns der Dünger im Schnitt. Das ist noch wenig, erklärt der Senior, „weil die Gülle angerechnet werden kann“. Sie dient ja auch als Dünger. Insgesamt rund 43 000 Euro zahlt der Betrieb pro Jahr für den Boden-„Kraftstoff“. Ein paar Kilo Dünger weniger bedeuten da bares Geld. So bieten dann auch die Vorrichtungen am Düngerstreuer genaue Einstellungsmöglichkeiten. Es ist ein kleines Modell, das bei den Butenschöns zum Einsatz kommt. Denn dieses hat den Vorteil, dass es nicht so schwer ist und den Boden nicht so stark belastet. Druck ist schlecht, sagt Hinrich Butenschön. Die Luft wird aus dem Boden gepresst und Lebewesen zerdrückt. Daher gibt es auch ein zweites Paar Reifen, die zusätzlich neben das Standardpaar montiert werden können – um den Druck zu minimieren.
„Das alte Gras einstriegeln, Maulwurfshaufen platt walzen“, beschreibt Auszubildender Tim Pohlmann den Ablauf auf der Weide. Drei Meter breit ist die Walze, die nicht nur „Grabowskis“ Behausungen eindrückt, sondern auch Steine in den Boden. „Ziemlich eintönig“ sei das Fahren, erklärt Senior Butenschön. Aber zu früh dürfe auch diese Arbeit nicht gemacht werden, weil die Walze „sonst Luft und Lebewesen aus dem Boden drücken würde“.
„Mais legen“ sagt der Landwirt, wenn die Futterpflanze gesät wird. Maiskörner werden dann alle 15 Zentimeter in einer Reihe ausgebracht. Aber zuvor ist auch hier Bodenbearbeitung angesagt. „Gülle haben die Azubis in diesem Jahr schon gefahren – immer ganz vorsichtig um die feuchten Stellen herum.“ Wann und wo, auch darüber führt Hinrich Butenschön akribisch eine Liste. Der tierische Dünger kommt nicht ungeprüft auf den Acker, jedes Jahr werden Proben gezogen. Der Vorteil der Butenschönschen Flächen: Sie liegen alle dicht beieinander. Das bedeutet kurze Wege. „Wir können das in kurzer Zeit konzentriert erledigen“, erklärt der Senior-Chef. „Und wir belästigen nicht so viele Nachbarn.“
Sabine Sopha

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