Roggenernte

Die Landwirtschaft erzeugt Lebensmittel – Fleisch, Gemüse und Obst. Wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig hat sie sich in den vergangenen hundert Jahren gewandelt. Trotz des Einsatzes von Computer und High-Tech ist eines geblieben: die Abhängigkeit vom Wetter. Was den Alltag eines Landwirtes bestimmt, zeigen wir ein Jahr lang am Beispiel des Milchviehbetriebes Butenschön. Der August ist Erntemonat.

drescher

Es gleicht einem Glücksspiel: Stimmt die Wettervorhersage? Ist es trocken an jenen Tagen, für die der Mähdrescher geordert ist? Hat das Korn dann die nötige Beschaffenheit? Alles Fragen, auf die Henrik Butenschön und sein Team keine eindeutigen Antworten geben konnten, als sie die Roggenernte planten. Als es so weit ist, sieht der Hofbesitzer nicht fröhlich aus. „Es ist eigentlich kein Dreschwetter“, sagt er und deutet auf einige Stellen, an denen das Getreide flach am Boden liegt. Der Nieselregen der vorangegangenen Tage hat es niedergedrückt. Aber die Maschine von der Dreschgenossenschaft steht bereit – also wird geerntet.

Insgesamt 24 Hektar Roggen hat Henrik Butenschön angebaut, an diesem Tag wird mit der Ernte auf den ersten fünf Hektar begonnen. Das Getreide dient als Futter für seine Kühe. Der Landwirt nimmt eine Ähre zwischen die Finger. „Als Brotroggen nicht geeignet“, sagt er – weil zu feucht. Den Tag zuvor hatte das Getreide noch eine Kornfeuchte von 20 Prozent, an diesem Vormittag ist er auf 19 Prozent gesunken. Optimal ist das nicht. Würde Butenschön den Roggen abliefern, müsste er ab über 14 Prozent Feuchte eine Trocknungsgebühr zahlen. Aber der Bargstedter Landwirt lagert das Getreide selbst ein.

„Die nächsten Tage wird es richtig trocken“, ist er sich sicher. Seine Prognose stützt sich auf das Wetterfax vom Deutschen Bauernverband – so die Bezeichnung des Dienstes. Abgerufen wird die Vorhersage per Mail. Nebel, Wind, Luft- und Kornfeuchte sind detailliert angegeben. Allerdings kann sich der Bargstedter nicht spontan entscheiden. Denn einen Mähdrescher hat er nicht. Ab 200 000 Euro kostet so eine Maschine, „nach oben hin gibt’s keine Grenze“. Butenschön ist Vorsitzender der Dreschgenossenschaft Bargstedt. 15 aktive Bauern haben sich hier zusammengeschlossen, zwei Mähdrescher hat die Gemeinschaft. Beim „Einteiler“ müssen alle ihren Wunschtermin anmelden. Eine Woche im Voraus hat Henrik Butenschön das erledigt. Zeigt sich, dass er die Maschinen an den bestellten Tagen nicht nutzen kann, muss er warten, bis wieder ein Termin frei ist – natürlich erneut mit der Ungewissheit, ob dann das Wetter mitspielt.

Am ersten Dreschtag scheint – wenn anfangs auch nur verhalten – die Sonne. Mitarbeiter Ralph Denker steuert den Mähdrescher, mit weitem Blick in die Landschaft. Die Fahrerkabine ist klimatisiert, Lärm und Dreck bleiben draußen. „Früher hatten die Maschinen nur eine offene Überdachung“, weiß der landwirtschaftliche Angestellte. „Da war man hinterher schwarz.“ Noch ist die Staubwolke klein, die der Drescher produziert. „Wenn’s ordentlich staubt, dann ist das okay“, erklärt Henrik Butenschön. Denn das bedeutet, Boden und Korn sind trocken. Vorne frisst sich das breite, rote Schneidewerkzeug durch das Feld, das Schnittgut wird dann in die Dreschtrommel befördert, wo die Ähren aufgebrochen werden. Zirka 60 Prozent fallen durch den Dreschkorb, der Rest wird durch ein Sieb geschüttelt. Das Korn landet im Tank der Maschine, der dreieinhalb Tonnen fasst. Auf dem Feld bleibt das Stroh liegen.

„Wenn der Roggen trocken ist, mähen wir zirka zwei Hektar in einer Stunde. Momentan benötigen wir eine Stunde für einen Hektar“, erklärt der Landwirt, der optimistisch ist: „Das wird sich im Laufe des Tages steigern, wenn die Sonne das Getreide getrocknet hat.“ Für Ralph Denker bedeutet die Ernte: Mähen, mähen, mähen. Im Fach über der Klimaanlage kann er Getränke kühlen. Braucht er eine Pause, soll Butenschön-Sohn Tjark einspringen und wird daher jetzt auf dem Mähdrescher angelernt. „Die Maschinen müssen laufen“, sagt Butenschön. Wenn sein Angestellter erschöpft ist, springen abends Hilfskräfte ein – Lkw-Fahrer von der Müllabfuhr oder anderen Unternehmen.

Erst einmal muss der Chef aber aktiv werden. Er startet den Traktor mit dem Hänger, den sogenannten Abfahrer. Beim Mähdrescher schwenkt ein Rohr aus. Befindet sich der Hänger direkt darunter, öffnet Ralph Denker den Tank, eine Körnerflut schießt hervor. Nach wenigen Minuten ist Schluss. Butenschön fährt zum Hof, manövriert den randvollen Hänger rückwärts in eine Box. Hier wird das Getreide zwischengelagert. Der Bargstedter Landwirt greift sich eine Handvoll Getreide und macht die Nagelprobe. Das Korn muss knacken. Optimal ist es noch nicht. „Wenn es später 17 Prozent Feuchtigkeit sind, bin ich schon zufrieden“,
sagt der Bargstedter Landwirt.

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Dreschen, bis er nicht mehr kann: Ralph Denker am Steuer der Maschine.

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Nagelprobe: Knackig muss das Korn sein.

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Roggen ist eine Nacktgetreideart. Die langen, grauen Körner sieht man bei reifen Ähren aus den nur locker umhüllenden Spelzen ein wenig herausragen.

Abgeordneten-Stippvisite im Stall

Vielseitigkeit statt Spezialisierung – dafür hatte sich Familie Butenschön im Jahre 2010 entschieden. Erst wurde zusätzlicher Platz für Milchkühe geschaffen, 2013 ein Bullenstall gebaut. Von Letzterem hatten alle landwirtschaftlichen Fachleute abgeraten. Aber: „Die Bullenmast hat uns bis zum Sommer geholfen, den Milchpreis zu stützen“, erklärt Henrik Butenschön gestern seinen Besuchern.

Die CDU-Landesgruppe Schleswig-Holstein im Bundestag war gemeinsam mit dem Bauernverband (Präsident Werner Schwarz und Generalsekretär Stephan Gersteuer) angereist, um sich vor Ort ein Bild zu machen von der Situation der ländlichen Räume und der Landwirtschaft. Sogar ein Milchviehhof ist inzwischen voll vernetzt. „Ich brauche überall W-Lan“, erklärte Klaus-Peter Lucht, Vizepräsident des Bauernverbandes SH und selbst Milchviehalter in Mörel. Am Beispiel von Hohenwestedt informierten sich die Abgeordneten, wie die Gemeinde eine Breitbandversorgung geschaffen hat. „Wir brauchen schnelle Verbindungen jetzt, nicht erst 2030“, lautete der Tenor von Ingbert Liebing, dem CDU-Landesvorsitzenden. „Nur wo die Infrastruktur gegeben ist, siedeln sich Menschen an und kann Wertschöpfung stattfinden“, ergänzte Ole Schröder, Abgeordneter für den Kreis Pinneberg. Außerdem sei eine mittel- und langfristige Unterstützung der Landwirtschaft notwendig, damit diese auf dem Weltmarkt bestehen könne. „National können wir das nicht alleine lösen, nur abfedern“, so Liebing mit Blick auf die Milchpreise.

Butenschön hat noch Platz für 40 Kühe. Aber „wir wachsen nicht mit Gewalt“. Doch die Zukunft scheint gesichert. Sohn Tjark wird eine Ausbildung machen und will den Hof übernehmen.

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Information vor Ort: Hausherr Butenschön (links) mit den Gästen. Neben ihm Ingbert Liebing und Johann Wadephul, rechts Sabine Sütterlin-Waack.

Sabine Sopha (shz)