Vom Kalb zur Kuh

Damit die Kuh Milch gibt, muss sie ein Kalb geboren haben. Rund 300 Kalbungen gibt es im Jahr auf Hof Butenschön. Ralph Denker (Foto) hat ein erklärtes Lieblingskalb.

Damit die Kuh Milch gibt, muss sie ein Kalb geboren haben. Rund 300 Kalbungen gibt es im Jahr auf Hof Butenschön. Ralph Denker (Foto) hat ein erklärtes Lieblingskalb.

Die Landwirtschaft erzeugt Lebensmittel – Fleisch, Gemüse und Obst. Wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig hat sie sich in den vergangenen hundert Jahren gewandelt. Trotz des Einsatzes von Computer und High-Tech ist eines geblieben: die Abhängigkeit vom Wetter. Was den Alltag eines Landwirtes bestimmt und wie sein Jahresablauf aussieht, zeigen wir am Beispiel des Milchviehbetriebes Butenschön. Der Februar ist ein ruhiger Monat. Aber jeden Tag müssen die 730 Rinder versorgt werden.

„Trixie“ ist Ralph Denkers Liebling. Wenn er ihr die Hand hinstreckt, nuckelt sie hingebungsvoll an seinen Fingern. Dann machen beide einen glücklichen Eindruck – der landwirtschaftliche Mitarbeiter und das zwei Wochen alte Kalb. Mit 25 weiteren Artgenossen gleichen Alters hat „Trixie“ einen luftigen Stall auf dem Hof zur Verfügung. In sieben Ställen stehen hier 220 Milchkühe, 200 Kälber, 190 Jungtiere und 120 Mastbullen.

„Die weiblichen Tiere erhalten bei uns einen Namen“, erklärt Landwirt Henrik Butenschön. Sie sind hier keine Nummer, sondern ein Lebewesen – das aber einen klaren Zweck hat: Milch liefern. Möglichst gut und möglichst viel, schließlich soll der Betrieb davon leben. Das wird allerdings immer schwieriger. „Wenn ich morgens aufstehe, weiß ich schon: Ich verdien’ kein Geld“, beschreibt der Hofbesitzer die Situation. Aber er jammert nicht. „Nach vorne gucken“, lautet seine Devise. Darum hat er in den vergangenen Jahren in moderne Kuh-Unterkünfte investiert. Der alte Kuhstall direkt am Wohnhaus zeigt die ehemals üblichen Gewölbedecken. Hier wurden die Kühe einst angebunden gehalten. Heute haben hier drei Reitpferde komfortabel Platz.

„Licht und Luft“ bestimmten die neuen Ställe – „das ist das Kostbarste, was wir den Tieren bieten können“, sagt Butenschön. Und Bewegungsfreiheit. Vorne im Milchkuhstall liegen in einer großen Box aneinandergeschmiegt zwei Tiere im Stroh, sie werden bald kalben. Hinten im Stall stehen die tragenden Tiere. Die „Schwangerschaft“ dauert so lange wie beim Menschen, erklärt der Milchviehbauer: Neun Monate. Bei der Geburt sind der Landwirt und seine Helfer nicht unbedingt dabei, aber sie beobachten die Tiere ständig.

Ein paar Stunden oder einen halben Tag nach der Geburt wird das Kalb von der Kuh separiert. „Je früher sie getrennt werden, desto geringer sind die Bindung und der Trennungsschmerz“, erklärt Ralph Denker sachlich. „Außerdem müssen wir sichergehen, dass die Neugeborenen die Biestmilch erhalten“, fügt Butenschön hinzu. Diese allererste Muttermilch ist besonders gehaltvoll. „Darauf baut sich das ganze Leben auf“, betonen die beiden Fachleute. Und wie beim Menschen – so Butenschön – gebe es unterschiedliches „Mutterverhalten“. Einige Kühe kümmern sich liebevoll um den Nachwuchs, andere sind desinteressiert. Manchmal hat die Mutterkuh anfangs keine Milch. „Für diese Fälle haben wir Biestmilch eingefroren.“

2.2

Die ersten sechs Wochen im Kälberiglu dürfen die Kleinen saufen, so viel sie wollen. Damit die Kontrolle der Nuckeleimer möglichst einfach ist, stehen die Iglus direkt neben dem Melkstand. Später tragen die Kälber ein Halsband, das ihnen den Trinkautomaten freigibt und die Menge reguliert. So wie bei „Trixie“. Die kleine Schwarzbunte ist übrigens noch das Ergebnis einer tierischen Begegnung. Bis vor Kurzem lebte auch noch ein Zuchtbulle auf dem Butenschönschen Hof. „Das wurde zu gefährlich“, erklärt der Landwirt. Nur noch er durfte sich dem unberechenbaren Tier nähern. Meldungen über Unfälle mit Bullen gebe es immer noch. So ein Tier könne schließlich durchaus eine Tonne Gewicht auf die Waage bringen. Aber die Besamung war einfacher, gesteht Butschenschön.

Jetzt tragen die Kühe ein Halsband oder ein „Knöchelarmband“ – zur Brunsterkennung. Sind die Tiere paarungsbereit, bewegen sie sich verstärkt. Das registriert die Technik, sendet entsprechende Daten an den PC im Büro und der Bauer ruft den Besamer an. Und früher mussten die Tiere kein Halsband tragen? Wie funktionierte denn da die Brunsterkennung? Henrik Butenschön grinst bei dieser Frage: „Da erledigte das der Bulle.“ Zirka alle 21 Tage kommen die Tiere in die Brunst. Dann wurde der Bulle zwischen den entsprechenden Kühen laufen gelassen und die Natur nahm ihren Lauf.

Zirka 300 Kalbungen verzeichnet der Bargstedter Hof im Jahr. In den ersten zwölf Monaten teilen sich die Zellen, das heißt, die Tiere wachsen. „Da gibt man alles, was man hat.“ Dann folgt der nächste Lebensabschnitt.

sab